Sonntag, 20. November 2011

Ein erster Einblick in die Traditionen

Eigentlich wollte ich mit dem Thema Traditionen noch etwas warten, aber es ist in der letzten Woche einfach nichts spannendes passiert.

Ich fang mal mit dem Chief an, denn den hab ich ja schon mal erwähnt.
Der Chief ist das traditionelle Oberhaupt in ländlichen Regionen. Jede Region hat einen eigenen Chief. Ihm über gestellt ist nur noch der King. Es gibt allerdings nicht nur einen King für Südafrika, sondern einen für jedes Distrikt. Kgautswane liegt zum Beispiel im Distrikt Sekhukune, dessen King ebenfalls Sekhukune heißt.
Jetzt wird’s etwas verzwickt: Der Chief kann so viele Frauen haben wie er will. Er muss nur für jede Frau ein Haus bauen. Gilt übrigens für alle Männer hier. Wenn also auf einem Grundstück zwei Häuser stehen, hat der Mann zwei Frauen. Und ein Haus ist meistens schöner als das andere ;o) Zurück zum Chief: mindestens eine Frau des Chiefs muss aus der Königsfamilie stammen, denn nur ihre Kinder haben das Recht später selber Chief zu werden! Der Chief kann Gericht einberufen und urteilen. Das heißt wenn sich zum Beispiel zwei Parteien um ein Stück Land streiten, wird der Chief eingeschaltet. Wenn zwei Menschen heiraten wollen, müssen sie dem Chief zuerst ein Rückenstück von einem Rind bringen, dann erst erlaubt er die Hochzeit. Unser Chief heißt momentan Alfred Kgoete.
Natürlich gibt es auch einen offiziellen, von der Regierung eingesetzten Bürgermeister, den Councillor. Dieser hat im Grunde dieselben Aufgaben wie der Chief, jedoch wird dem Councillor heutzutage noch nicht genug vertraut. Manchmal gibt es daher Auseinandersetzungen zwischen beiden Ämtern. In Kgautswane heißt der Councillor Steve Kgoete, na klingelt´s? Hier stammen beide aus der gleichen Familie...
Trotzdem gilt: mit dem Chief muss man sich gut stellen, sonst bekommt man Probleme.

Letzten Sonntag war ich mit Frederike und Amelie in der Kirche von Mama Clara, die Church of Jesus Christ. Wir waren gern gesehene Gäste und mussten mal wieder ein paar Worte über die Wichtigkeit von Bildung und Volunteering zum Besten geben. Der Ganze Gottesdienst wurde auf Sepedi gehalten, sodass wir leider wenig verstanden. Zum Glück war Ponzo mit, eine Cousine von Connie aus Joburg, die gerade zu Besuch ist. Sie hat mir immer mal wieder etwas übersetzt. Ein großer Unterschied zu unserer Kirche ist, dass zwei Pastoren sehr enthusiastisch gepredigt haben (über eine Stunde lang!). Es waren mindestens 6-7 Pastoren anwesend.
Die Frauen saßen auf der linken und die Männer schön separat auf der rechten Seite. In der Mitte durften die Kinder und jungen Erwachsenen sitzen. Zwischendurch hat immer irgendjemand ein Lied angestimmt. Dann stehen alle auf, tanzen und singen. Das ist echt toll!
Alles verlief halbwegs normal, bis wir zum beten kamen. Die Pastoren haben sich alle vorne versammelt. Alle die wollten, konnten dann vor kommen und sich segnen lassen, dachte ich. Ihnen wurden dann die Hände aufgelegt und die Pastoren fingen an auf sie ein zu schreien! So als wollten sie den Dämon austreiben. Etwas seltsam. Kurz danach wurde ein Gebet gesungen und auf einmal fing eine junge Frau hinter mir an zu schreien. Sie hat dabei irgendwie ganz komisch gezuckt und um sich geschlagen. Ich dachte im ersten Moment sie hätte einen epileptischen Anfall. Das haben die Leute aber anders gesehen. Sie sind zu ihr hin, haben sie auf den Boden gedrückt, bis die Pastoren da waren, die wiederum lauthals auf sie ein geschrien haben. Die anderen Leute haben zwar geguckt, schienen aber nicht besonders beunruhigt. Ponzo erklärte mir, dass der heilige Geist manchmal in die Körper fährt. Dies passiert aber nicht oft. So so. Die junge Frau wurde dann von anderen Älteren und den Pastoren raus getragen, ich hab sie seitdem auch nicht mehr gesehen.
Kurz danach, mal wieder beim Gebet, stand eine sehr alte Frau auf, ging zu einer anderen Frau und schrie wieder auf sie ein. Diese hatte nicht gezuckt oder ähnliches, aber die ältere Frau meinte wohl sie hätte eine negative Aura gespürt. Auch die zweite Frau wurde raus getragen. Ich hoffe die negative Aura ist mittlerweile verschwunden und hatte nichts mit uns zu tun.
Ok, ich habe so was schon mal im Internet gesehen, aber in Wirklichkeit ist das schon erschreckend und seltsam.
Clara erklärte später, dass es hier in Afrika „böse Kräuter“ gibt, die es in Europa glücklicherweise nicht gibt. Die Witchdoctors (also Medizinmänner und -frauen) sind bei manchen Leuten immer noch hoch angesehen. Wer weiß, was sie mit ihren bösen Kräutern für einen Einfluss haben.
Jedenfalls sollen wir eigentlich von keinem mehr Essen annehmen. Denn offensichtlich findet es nicht jeder toll, dass wir hier sind. Gut zu wissen.

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